©Süddeutsche Zeitung vom 21.10.1998 / Seite 20:

Die Welt ist schlecht

Eric Claptons Traurigkeit zum Deutschland-Start seiner Pilgrim-Tour

Seltsam, oder? "Für alle Auftritte Claptons gibt es Restkarten." Das vermeldete gestern dpa nach dem Start zur Deutschlandtour des britischen Gitarristen in München. Ein kleiner Satz am Schluß eines Berichtes, der nun doch an Bedeutung gewinnt, spult man dieses Konzert in der Olympiahalle nochmal vor dem inneren Auge und Ohr ab. Restkarten für den Gott der sechs Saiten? Die aktuelle CD "Pilgrim", obwohl schon seit Monaten auf dem Markt, nur auf Platz 3 der Charts? Seltsam. Seit das Gitarrenriff von "Layla" aus der Opel-Werbung verschwunden ist, seit nun Eric Clapton auf der Endlosschleife des Telephonnetzes von VW in Wolfsburg zu hören ist, scheint etwas passiert zu sein mit dem Image des großen Blues-Gitarristen.

Die Arena ist bestuhlt. Das Publikum klatscht brav zum ersten Song, einer leicht auffrisierten Version der jüngsten Single-Auskoppelung "My Fathers Eyes". Clapton sagt brav Guten Abend und ebenso brav, dem Marktgesetze folgend, daß man zunächst Werke aus der neuen CD zu Gehör bringen werde. Doch schon "Pilgrim", der Titelsong, harmonisch ohnehin ein sperriges Stück, versinkt (zumindest im Bereich hinter dem Toningenieur) in fadem Soundbrei. 45 Minuten dauert der Beweis für die auch in diesem Blatt vertretene Ansicht, daß Claptons neuestes Oeuvre eher Dokument eines Gesprächs beim Psychotherapeuten ist denn wirklich gute Musik. Derart auf Schwermut und Depression eingestimmt, schien es, als flösse Claptons "River Of Tears" durchs ganze Konzert, als drücke alles Leid der Welt den Mann schier zu Boden. Blues, die Musik der Traurigkeit und des traurigen Humors, lebt eigentlich auch von der Hoffnung, daß es irgendwann einmal besser werden könnte. Clapton aber hat, so scheints, alle Hoffnung fahren lassen. Überall "pain" und "trouble" und "sorrow". Ein Wunder, daß er die (einzige) Zugabe "Sunshine Of Your Love" nicht in "Regen" umgetauft hat.

Vor vier Jahren gab Clapton an diesem Ort ein brillantes, jeglichem Trend widersprechendes Blues-Konzert voll von Überraschungen, Witz und Spiellaune. Diesmal folgte dem "Pilgrim"-Abschnitt nur ein Best-of-Programm, zunächst mit dem allbekannten MTV-unplugged-Geschrubbe (eingeleitet mit einem etwas hastigen "Tears In Heaven"), dann ein Part mit voll aufgedrehten Reglern. Die Bühne: nahezu schmucklos mit schlecht gebügelten Tüchern verhängt, auf die mattes Licht fiel. Links und rechts die obligaten Großbildschirme. Gnadenlos zeigten sie Claptons Gesicht und seine fatale Unfröhlichkeit. Selten, allzu selten blitzte das Musikantentum der edel besetzten Combo auf, Clapton bot keinen Raum, um auch nur einen Hauch von Session-Feeling aufkommen zu lassen. Allzu selten wuchs, wie etwa bei "I Shot The Sheriff", aus waidwunder Seele ein Solo jener Art, wie nur Clapton es spielen und verinnerlichen kann. Kurze Momente des Glücks, die umso schmerzvoller die Banalität des Rests spürbar machten, worunter sogar schier unzerstörbare Hits wie "Wonderful Tonight" oder am Ende "Cocaine" litten. Hier dachte man nicht an die böse Droge, sondern eher an eine zu dick geratene Instant-Suppe.

Ein seltsames Konzert. Eines, das sich nicht nur mit der Lustlosigkeit des Künstlers erklären läßt. Es war zelebrierte Depression, und es dürfte dem Hauptsponsor schwerfallen, sein Fröhlichkeits-Produkt "New Beetle" damit an den Mann zu bringen. Vielleicht findet sich demnächst ein Couch-Fabrikant.

KARL FORSTER