©Wiesbadener Tageblatt 2006 - Konzert am
03.06.2006 in Frankfurt/Main
Einer, der nichts mehr beweisen muss
"Back home": Eric Clapton in der Festhalle
Von Peter Müller
Kurz vor neun wird endlich der Perserteppich ausgelegt, was gut 11.000
Fans in der Festhalle spontan jubeln lässt. Obwohl das gute alte Stück ein
wenig ramponiert ausschaut. Aber das kennt man schließlich auch von dem,
der die nächsten zwei Stunden so darauf stehen wird, als spiele er auf
seinem Grillfest vor einer Handvoll guter Kumpels. Warum es ohne die edel
abgetretene Auslegware einfach nicht geht, ist nicht zweifelsfrei
überliefert. Unzweifelhaft ist - sie bleibt das sichere Indiz dafür, dass
Clapton da ist. Um nicht zu sagen, "wieder daheim", wie sein aktuelles
Album schön profan metaphert. Ein Titel, der seinen Gemüts- und
Lebenszustand einfangen soll, ohne dass er nun auf "Back home" ausgiebig
darüber singen würde. Aber, der 61-Jährige hat erneut geheiratet, was ihn
- so das möglich ist - noch einmal gelassener hat werden lassen. Trotz,
oder gerade wegen dreier Vaterschaften binnen fünf Jahren? Man weiß es
nicht. Immerhin, sinnigerweise hat er in etwa genau so lange an "Back home"
produziert, was sich doch wiederum in der Qualität des Silberlings
spiegeln müsste. Tut es aber nicht, mäkeln Kritiker wie Fans, die dem
Album eher Belanglosigkeit denn Gelassenheit attestieren.
Wie dem auch sei, in Frankfurt wird Old Slowhand nach einem, na ja,
verglichen mit seinen früheren Auftritten durchwachsenen, Gig gefeiert,
als sei der Deutschland-Start seiner Europa-Tour eine historische
Farewell-Show. Vielleicht, weil Clapton dem bleiernen, weltschmerzigen
Blues, mit dem Robert Cray & Band im Vorprogramm noch die Augenlider
beschwert hatte, eine Absage formuliert. Statt düster wimmernder
Blues-Melancholie serviert er zunächst einmal mächtigen Rock, unterstützt
von zwei vor allem ambitionierten Backvokal-Ladys. "Pretending", der
Opener vom 90er Album "Journeyman"", hämmert mit wuchtigem Rhythmus durch
den Saal und klingt wie eine Reminiszenz an Zeiten, in denen der
Saitengott unterm Dreitagebart noch kein Doppelkinn trug. Und trotz Jeans
oder rosa Schlabberhemd noch nicht aussah wie Vadim Glowna mit Brille und
Betroffenheitsmiene. Aber bei Clapton, dem Erfinder des Unprätentiösen,
spielt das sowieso keine Rolle. "So tired", wie der folgende "Back
home"-Soulpop-Song orakelt, ist er schon mal gar nicht.
Mag auch an den jugendlichen Guitarreros um ihn herum liegen: Da steht
neben Slide-Spezialist Derek Trucks (Jahrgang 1979) und Bassist Willie
Weeks mit Linkshänder Doyle Bramhall II eine weiteres Saiten-Wunderkind,
das wohl in jeder anderen Formation den Top-Spot geben könnte. In der
Clapton-Band gibt es allerdings einen Chef, der es einfach immer noch ein
wenig besser kann. Seine Soli, mal filigran, mal dynamisch, immer mit sehr
kurzem Griff, sind immer noch begeisternde Unikate - handwerklich perfekt
und von einer nimmermüden Kreativität beseelt.
Natürlich gilt das auch für den üblichen Akustik-Teil mit "Wonderful
tonight" oder dem dezent umarrangierten Titelsong "Back home". Nur der
richtig mitreißende Gig sieht anders aus. Das Publikum genießt fachkundig,
ohne in die Ohnmacht zu schwelgen - Ausrasten ist woanders, nicht bei Mr.
Slowhand, der vor allem musizieren statt botschaften, und schon gar kein
Götze sein will. Vielleicht trägt auch die Set-Liste - "After Midnight"
oder "Layla" spielt er erst gegen Ende - dazu bei, dass die Begeisterung
im Auditorium lange mit der seiner eigenen Befindlichkeit korrespondiert.
Gelassenheit -
Clapton
muss niemand mehr etwas beweisen. Seinen Fans schon gar nicht.
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