©Der Tagesspiegel, Berlin 2006 - Konzert am
07.06.2006 in Berlin
Gut laut
Zurück zum Krach: Eric Clapton in Berlin
Von H.P. Daniels
Beiläufig kommt Eric Clapton auf die Parkbühne in der
Wuhlheide, fast unbemerkt, wäre da nicht der tosende Jubel tausender
Fans. Er trägt Turnschuhe, Jeans und eine Art Regenjacke von
unauffälliger Eleganz. Vermutlich eins von den sündhaft teuren
Designerstücken, die er so liebt. Rubbelt die Hände unter den Achseln,
grinst freundlich – klamme Finger. Wer hätte gedacht, dass es so kühl
sein könnte im Juni. Erst mal warm spielen: „Pretending“. Clapton muss
niemandem mehr etwas vormachen. Er ist so, wie er ist: Leidenschaftler
für den Blues, dessen Veröffentlichungen in den letzten Jahren immer
wieder mal etwas glattgebügelt trällerpoppig geraten snd. Sein
Familienglück daheim, nicht unbedingt der pure Stoff für den Blues, hat
der 61-jährige Gitarrengott ausgiebig auf „Back Home“ zelebriert, seinem
jüngsten Album, einer Sammlung samtiger Soul- und Reggae-Songs.
Elf Mitmusiker – Rhythmusgruppe, Keyboards, Backgroundsängerinnen, Bläser
– bilden eine massive Klangwand: sehr weiß, sehr glatt – keine
Unebenheiten. Nur die beiden Gitarristen Doyle Bramhall und Derek Trucks,
die Claptons Söhne sein könnten, hauen gelegentlich eine Schippe Dreck
drauf, Rohputz. Clapton gibt ihnen Raum zu aufregenden Soloeskapaden.
Lustiges Spiel: Augen zu und sagen, wer da gerade spielt. Jeder von ihnen
hat seinen ganz eigenen, speziellen Ton, aber dann klingen sie plötzlich
alle wie Clapton. Nur Clapton klingt noch ein bisschen mehr nach Clapton.
Auch auf der akustischen Gitarre, während eines Unplugged-Intermezzos im
Sitzen. Seit der Zeit von Derek & The Dominos lieben die Fans den alten
Jimmie-Cox-Blues „Nobody Knows You When You’re Down And Out“. Auch heute
wieder. Und sie jubeln begeistert, während sehnsüchtige Bläsermelodien
von der Bühne herüberwehen, wie von einem Mississippidampfer ans Ufer.
Darüber schwebt ein bleicher Mond. „Let It Rain“, singt Clapton, aber die
Wolkenwand hat sich verzogen, während die Gitarrenwand auf der Bühne die
Dominos-Zeiten beschwört. Vor allem Derek Trucks erinnert mit seinem
Slide-Spiel immer wieder an Claptons 1971 gestorbenen Freund, Mitmusiker
und Inspirator Duane Allman.
Alles ganz schön so weit, wenn auch zwischendrin ins langweilig Gefällige
gestreckt. Aber dann passiert am Ende doch noch etwas Sensationelles: „Layla“,
der abgenudelte Klassiker, kommt in einer unerwartet furiosen Version von
der Bühne gebrettert, hart und bissig, mit drei parallel schneidenden
Gitarren. Und gleich noch „Cocaine“, ebenfalls längst totgeglaubt,
hinterhergeprügelt: aggressiv und schön. Clapton nagelt wüste Töne in den
Dämmerungshimmel und wird gesanglich zum Shouter. Danach: „Crossroads“,
die alte Cream-Nummer, die einen noch mal sehnsüchtig an die Reunion von
Clapton mit seinen alten Mitstreitern Ginger Baker und Jack Bruce vom Mai
2005 denken
lässt.
Das war dann aber doch noch ein anderes Kaliber.
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