©Stuttgarter Nachrichten 2006 - Konzert am 04.06.2006 in Stuttgart

Kommunikation auf höherer Ebene

Eric Clapton

Von Bernd Haasis

Wenn Eric Clapton die Gitarre berührt und sehnsuchtsvolle Noten in den Raum perlen lässt, geht von seinem Spiel eine magische Vibration aus. Er zelebriert wieder den Blues, zu dem er vor einigen Jahren zurückgefunden hat und der heute das Amalgam ist, das seine Stücke über Stilgrenzen hinweg verbindet.

Umso mehr entfernt sich Clapton davon, pflichtgemäß seine Hits abzuspulen: Er hat Songs aus allen Schaffensphasen im Programm und eine Band im Rücken, in der jeder Einzelne Akzente setzt. Und so werden die 11.000 in der Schleyerhalle Zeugen einer Rhythm-&-Blues-Darbeitung, die oft den Charakter einer Session annimmt.

Ob das gefällige "Pretending", die Soul-Nummer "Got To Get Better" oder der Evergreen "After Midnight": Jeder Song klingt erstaunlich frisch und dynamisch. Willie Weeks am Bass und Steve Jordan am Schlagzeug könnten ohne weiteres auch Swing oder Funk spielen, Pianist Chris Stainton in jeder Jazzcombo anheuern, und die stimmgewaltigen Background-Sängerinnen lassen die ganze Kraft des Souls ins Klangbild einfließen. Im Mittelpunkt aber steht nur ein Instrument: die Gitarre. Clapton hat sichtlich Lust am Spielen, und er straft seinen Spitznamen "Slowhand" Lügen. Er mag ein Meister des Weglassens sein, erzeugt Spannung, indem er Noten klingen lässt oder sein Spiel mit klugen Pausen spickt, doch immer wieder fliegen seine Finger auch ungezügelt übers Griffbrett, erzählen mit singendem Ton Geschichten von Liebe und Leid.

Doch Clapton suchte nie alleine das Rampenlicht. Neben Doyle Bramhall II, schon auf der letzten Tournee dabei, ist mit Derek Trucks nun ein weiterer Gitarrist auf der Bühne. Er ist der 27-jährige Neffe des langjährigen Allman-Brothers-Schlagzeugers Butch Trucks, und die Nähe ist unüberhörbar, zumal er viel und gerne Slide-Gitarre spielt - wie Duane Allman.

Derek And The Dominos hieß die Band, die Clapton inkognito initiierte, nachdem Cream zerbrochen und Blind Faith gescheitert war. Zudem war er unglücklich in Patti Boyd verliebt, die Frau von George Harrison, was sich auf dem Album "Layla And Other Assorted Lovesongs" widerspiegelte. Clapton fand in Duane Allman, aus dessen Feder das Eingangsriff zu "Layla" stammt, einen idealen Gegenpart. So wie jetzt in Derek Trucks, der mit den Fingern anschlägt, seiner Gitarre einen ganz eigenen, weichen Klang entlockt, eine unglaubliche Melodiösität entwickelt und ohne bekannte Licks und Klischees auskommt. In "Why Does Love Got To Be So Sad" kommunizieren Clapton und Trucks auf einer höheren Ebene, hören und reagieren aufeinander, wie man es sonst nur im Jazz erlebt.

Und auch Robert Cray, der ein astreines Vorprogramm gespielt hat, tritt in "Bell Bottom Blues" auf Augenhöhe mit Clapton in einen Gitarrendialog ein. Dabei besteht nie ein Zweifel, wer der Herr im Ring ist: Bei "Wonderful Tonight" variiert Clapton seine Soli lustvoll, und an der Akustikgitarre stellt er eine wehmütige Version des aktuellen Titels "Back Home" neben das 35 Jahre alte "I Am Yours". Da hat einer auf wundersame Art zu sich selbst zurückgefunden.

"Nobody Knows You" und "Layla" - Trucks spielt das Riff - sind weitere Höhepunkte, und natürlich "Little Queen Of Spades" von Robert Johnson, dem Clapton ein ganzes Album gewidmet hat. Mit "Crossroads" dürfen sich die Band und alle vier Gitarristen noch einmal fulminant verabschieden nach Seitenanfangeinem Konzert, in dem der Blues geklungen hat, als wäre er ganz neu.