©Berliner Morgenpost 2006 - Konzert am 07.06.2006 in Berlin

Der Meister mit der ruhigen Hand

Der Gitarrist Eric Clapton machte in der Wuhlheide 15 000 Fans glücklich

Von Josef Engels
 

Der Mond steht wie ein angefressener Blauschimmelkäse über der Wuhlheide und blickt auf die Menschen, die von der Parkbühne in Richtung S-Bahn wandern. Da ist keine Euphorie, sondern eine irgendwie matte Zufriedenheit. Die gedämpften Gespräche handeln vom vergangenen Urlaub und vom neuen Hauptbahnhof. Wenn von der Musik der vergangenen zwei Stunden die Rede ist, dann nur in schmucklosen Worten. "War doch ganz schön", hört man. Oder, mit einem heiseren, selbstironischen Lachen: "Rentnertreffen".

Eric Clapton ist inzwischen 61 Jahre alt. Er war nie die große Rampensau und sieht es konsequenterweise auch nicht ein, daran jetzt noch etwas ändern zu wollen. Bei ihm ging es schließlich immer um die Musik; er mit seiner Gitarre, dem Blues und der eher dünnen Stimme gegen die Widrigkeiten des Lebens und des Liebens. Da können sich berühmte Altersgenossen gern auf oder neben der Bühne mit Stürzen oder peinlichen Affären zum Affen machen: Clapton, lange von den Drogen genesen und im privaten Familienglück mit drei späten Töchterchen angekommen, bleibt cool.

Gerade deshalb ist es überraschend, mit wieviel Wucht sein Konzert in der Wuhlheide beginnt. Elf Leute umringen den grußlos einmarschierten Mann an der schwarzweißen Fender Strat, darunter drei Bläser, zwei Backgroundsängerinnen, zwei Keyboarder und zwei Gitarristen. Gemeinsam entwickelt man jede Menge Gospel- und Soul-Druck. "Pretending" aus dem Jahre 1990 macht den Anfang, dann folgt, nicht minder schwungvoll, die Nummer "So Tired" vom aktuellen Album "Back Home". Wenn sich dann bei dem sessionartigen "Old Love" auch noch der Vorgruppen-Star Robert Cray zu Clapton und seinen beiden jungen Saiten-Assen Derek Trucks und Doyle Bramhall gesellt, wird deutlich: "Slowhand" fürchtet keine Konkurrenz. Vier verwandte Gitarren-Stile prallen da aufeinander, Crays metallische Linien, Doyles Linkshänder-Rotz und Trucks Bottleneck-Virtuosität. Clapton überstrahlt sie alle, mit seiner Ökonomie und seinem warmen Ton. Von einem Sieg im Wett-Gniedeln möchte man dennoch nicht sprechen. Darauf hat es der Bandleader nämlich keinesfalls angelegt. Hier wird einfach nur konstruktiv musiziert.

Nach einer Dreiviertelstunde rücken die Bühnenkräfte Stühle aufs Podium und drücken Clapton die akustische Klampfe in die Hand. 1992 hatte er mit einem seelenvollen Auftritt bei MTV dem so genannten "Unplugged"-Konzept zum weltweiten Durchbruch verholfen. Damals rührte er die Menschen mit einer Ballade im Angedenken an seinen tragisch verstorbenen vierjährigen Sohn. Auch in der Wuhlheide singt er unverstärkt für einen Toten. Dem am Dienstag entschlafenen "fünften Beatle", Billy Preston, ruft Clapton nun würdevoll "Back Home" zu. "Nobody Knows You" schließt sich, inhaltlich nicht ganz unpassend, an.

Wenn sich der Gitarrist dann von der Sitzgelegenheit erhebt, beginnt der Hit-Teil des Abends. Im Bühnenhintergrund paßt sich eine dezente Light-Show dem Geschehen an. Bei "Let It Rain" glimmt es bläulich, bei "Wonderful Tonight" wird alles zart-lila, bei "Bad Love" und "Cocaine" entsteht ein psychedelischer Farbrausch. Die Musik indes wird davon nicht infiziert. Rauschhaft ist hier nichts, sondern vielmehr routiniert.

Die knapp über 15 000 in der Wuhlheide nehmen es gelassen zur Kenntnis. Als nach nur einer Zugabe, Robert Johnsons "Crossroads", Schluß ist, regt sich kaum Widerstand im Rund. Dann war's das eben, so wie der Mond in dieser Nacht: nichts Halbes und nichts Ganzes. Aber in seiner Seitenanfangmajestätischen Unbeirrbarkeit doch recht beeindruckend.