©Kölner Stadtanzeiger 2006 - Konzert am 13.07.2006 in Köln

Mit der zweiten Luft

Eric Clapton macht in der Kölnarena ein starkes Spiel

Von Jan W. Brügelmann

Wie sagt man so schön in Köln? Wir sind noch in der „Oktav"! Deshalb kommt einem die Fußball-WM in den Sinn, obwohl von einem Rockkonzert die Rede ist – immerhin hatte Eric Clapton ja auch elf Mitstreiter hinter sich versammelt. Das Spiel in der Kölnarena ließ sich überaus munter an. Angetrieben vom großartigen Drummer Steve Jordan rockt sich die neue Band des Ausnahmegitarristen durch „Pretending", gleitet über in „So tired", das gar nicht müde rüberkam, und knüpft noch drei weitere Stücke an, bevor es kurz vor der Halbzeit – wie immer in Clapton-Konzerten – etwas ruhiger wird.

Die taktische Aufstellung ist der Zeit angepasst. Bewährte Mitstreiter der vergangenen Touren sitzen inzwischen auf der Bank. Clapton hat seine Mannschaft an entscheidenden Positionen deutlich verjüngt. Neben Drummer Jordan fallen vor allem die beiden Co-Gitarristen auf, die den 61-jährigen Meister mit Vorlagen füttern, die dieser kongenial verwandelt oder auch einmal zurückspielt. Doyle Bramhall war schon auf der letzten Tour vor zwei Jahren dabei und fiel jetzt durch eine zupackende, fast aggressive Spielweise auf. Sehr  mannschaftsdienlich, aber die Brillanz kam von einem anderen.

Derek Trucks ist wohl vor 26 Jahren schon als Musiker geboren worden. Sein Onkel ist Butch Trucks, Drummer und Gründungsmitglied der Allman-Brothers-Band, die vor gut 30 Jahren das mitprägte, was man den „weißen Blues" nennt, dessen Hauptexponent heute Eric Clapton ist. Benannt wurde Trucks übrigens nach Derek an the Dominos, die Clapton in den 70er Jahren initiierte. Derek Trucks ist eine gitarristische Offenbarung. Ohne ein Plektron zu benutzen, zupfte er die Saiten mit allen Fingern der rechten Hand, bearbeitet die Gitarre im Grunde wie ein Pianist. Trucks` Sololäufe beweisen nicht nur Stilsicherheit, sondern sind auch eminent geschmackvoll exekutiert. Mit dem kleinen Glasröhrchen am linken Ringfinger entlockt der junge Mann aus Florida jeder einzelnen Saite eine klangliche Vielfalt, die die Zuhörer in der nicht ausverkauften Kölnarena dahinschmelzen ließ.

Ob dieser Mannschaftsleistung im Rücken – herausgehoben seien auch Bassist Willie Weeks und Keyboarder Chris Stainton, auch er ein früherer Weggefährte Claptons – kann aus Sicht des Coachs gar nichts mehr schief gehen. Im Gegenteil: Selten hat man Clapton in den letzten Jahren so aus sich herausgehen gesehen. Die Augen geschlossen und locker mit dem Fuß wippend, schlägt er einen Pass nach dem nächsten und treibt das Ensemble mit seinem Spiel zu Höchstleistungen an. Auch die vier Stücke im „Sit down"-Teil der Show, wenn die Gitarristen zu akustischen Instrumenten wechseln, beziehen aus dem nahtlosen Zusammenspiel der drei Saiten-Virtuosen eine ungeheure Spannung. Und so authentisch als Sänger wie als Instrumentalist hat man Clapton schon lange nicht mehr in Köln erlebt als bei der ergreifenden Darbietung seines Klassikers „Nobody Knows You When You're Down And Out".

So eine Spitzenpartie lebt natürlich auch von einem Geniestreich. Er ereignet sich etwa in der 70. Spielminute und leitet eine furiose Schlussphase ein. Ausgangspunkt ist Schlagwerker Jordan, der im letzten Takt des fröhlich dahinbouncenden J.-J.-Cale-Klassikers "After Midnight" mit vier knackigen Schlägen das Tempo quasi wie ein Staubsauger aus der Nummer zieht und die Überleitung in das Highlight des Abends schafft: „Little Queen Of Spades". Claptons Einstieg in das Stück ist schon vom Feinsten, was aber Derek Trucks nachlegt, lässt den Atem stocken. Seine eigene spielerische Klasse offenbart Clapton anschließend, als er wie ein in die Jahre gekommener Platzhirsch dem Jungspund zeigt, wo der Hammer hängt. Sein bestes Solo des Abends, das wiederum beweist, dass Clapton eben nicht langsam ist, sondern dass sein Spitzname „Slowhand" daher kommt, dass er sich in der Kunst des Weglassens überflüssiger Schnörkel versteht.

Eric Clapton 2006: Eine musikalische Frischzellenkur verleiht einer lebenden Legende die Seitenanfangzweite Luft für eine Verlängerung, die eigentlich kein Ende haben dürfte.