©Berliner Zeitung 2006 - Konzert am 07.06.2006 in Berlin

Früher nannte man ihn Gott

Jung, kraftvoll, unprätentiös - der erst 61-jährige Eric Clapton rockte in der Wuhlheide

Von Markus Schneider
 

Hendrix oder Clapton, das war in den späten 1960ern die Frage. Heute fragt man sich: Warum eigentlich? Eric Claptons Musik, so virtuos und innovativ sie mit seinem Trio Cream auch war, blieb letztlich vor allem dem Instrument verhaftet und löste sich nie aus ihrem zeitgenössischen Rockkontext. Hendrix dagegen beeindruckte weniger durch virtuose Geläufigkeit als durch raumgreifenden Gestus, Sound und Dichte. Sagen wir es so: Eric Clapton spielte Soli, Jimi Hendrix war Orchester.

Am Mittwoch Abend, als Eric Clapton in der knapp ausverkauften Wuhlheide auftrat, konnte man noch nicht einmal diese Vergleichsebene verstehen. Schließlich mochte Clapton seinen Heldenstatus schon bei Cream nicht. Und verlegte sich nach deren Ende seit Beginn der 1970er auf überwiegend unvirtuosen, entspannten Mainstreamrock. Der wurde mit der Zeit immer harmloser. Sein Album "Back Home" aus dem letzten Jahr erging sich in leblosen Songs zu seiner derzeitigen Familienidylle.

Daher war dieser Auftritt eine ausgesprochen angenehme Überraschung. Der 61-jährige spielte sein Repertoire unprätentiös, kraftvoll und mit jugendlicher Verve. Und es ist als Kompliment zu verstehen, dass sich die 12-köpfige Band anhörte, als hätte es Punk nie gegeben. Eric Clapton restaurierte den Sound seines US-Rock der frühen 1970er. Von der Bühne schmetterte eine launige und bisweilen apart dumpfe Mischung aus Blues-, Westcoast- und Südstaatenrock.

Säuselnde Schnulze

Das lag auch an den straffen Begleitern im Hintergrund, den drei Bläsern und zwei Sängerinnen, die den Rock, wie im energischen "Motherless Children" mit einem satten Gospel-Soul-Einschlag pufferten. So verbarg die Band geschickt, dass es sich dabei eigentlich um einen Sound ohne innere Spannung handelte, dessen Dynamik äußerlich blieb.

Das wurde nur dort deutlich, wo schon das Material besonders unvital ist. Beide Coverversionen J. J. Cales, des Erfinders der Rockverschnarchtheit, wurden ziemlich stumpf auf Tempo gebracht. "Wonderful Tonight" dagegen, in seiner Originalsüßlichkeit schon nicht besonders aufregend, wurde ganz zur säuselnden Schnulze. Da durfte man vermuten, dass seine letzten, bedürfnislosen Studioarbeiten repräsentativer für seine derzeitige Vision sind, als es der Auftritt war.

Andererseits gönnt man Eric Clapton die innere Ruhe ohne weiteres. Der Künstler, den man früher Gott nannte, wurde oft genug in Beziehungskrisen gebeutelt; 1991 starb auf tragische Weise sein vierjähriger Sohn. Clapton ist außerdem ein Überlebender der wilden Sechziger. Daran wurde man erinnert, als er - in einer der raren Bemerkungen zum Publikum - den Song "Back Home" dem gerade verstorbenen Keyboarder Billy Preston widmete, der Clapton immer wieder auf Tourneen und im Studio begleitet hatte. Eric Clapton ist heute clean und sammelt Spenden in Millionenhöhe für seine Antidrogenstiftung. In den Siebzigern diente er jedoch die meisten Lifestyle-Verpflichtungen eines Rockstars ab. Er hing an der Nadel, wurde mehrmals alkoholabhängig und spannte George Harrison die Frau aus.

Lässige Leitfigur

Damals inspirierte ihn die Liebe allerdings noch zu Musik. So schrieb er für Patty Harrison, zunächst unglücklich werbend, 1970 den Klassiker "Layla". Dieser Song basiert auf einer packenden Gitarrenfigur und ist so dicht arrangiert, dass er laut Clapton nur mit einer großen Band zu spielen ist. In der fast werkgetreuen Version überzeugte das Stück in der Wuhlheide noch immer. Es verdeutlichte auch, dass die Qualität des Konzerts weniger mit dem Komponisten als vielmehr dem Interpreten Eric Clapton zu tun hatte.

Der wiederum war nicht als Gitarrenheld gekommen, sondern stellte sich in erster Linie sehr lässig als Leitfigur in den Bandkontext. In seinen sinnvoll knapp gehaltenen Soli zeigte er sich inspiriert und handwerklich auf allerbester Höhe; wohlmeinend väterlich betrachtete er seine beiden jungen Begleitgitarristen. Vor allem im Slide-Gitarristen Derek Truck hatte Clapton einen ausgezeichneten Begleiter. Ein gemeinschaftliches Solo, in der die beiden Gitarren sich umeinander wanden, wurde zu einer der einleuchtendsten Strecken seit Abschaffung des Rocksolos. Im "Unplugged"-Teil des Abends ergänzten die beiden Jungen den Altmeister vorzüglich, setzten sparsame Akzente und legten zurückhaltende Ornamente aus.

Über den Abend verteilt kehrte Clapton immer wieder zum Blues zurück, seiner entscheidenden musikalischen Prägung. "Bell Bottom Blues" stand zu Beginn; als Zugabe beschloss "Crossroads" den Abend. "Crossroads" verwies nicht nur auf die Blues-Legende Robert Johnson, dem Clapton vor zwei Jahren eine schulmeisterliche Hommage gewidmet hat - der Titel stammt außerdem aus dem Repertoire von Cream. Die WuhlheideFassung, so entspannt krachig sie auch war, begradigte auf gewisse Weise auch den Mythos Cream. Claptons innovative Mission bestand damals nicht darin, die Möglichkeiten des Rock zu erweitern. Sondern sein Blues-Fundament als gutbürgerliches SeitenanfangKunsthandwerk festzuschreiben.