©Neue Ruhr Zeitung 10.3.2001
Gott nahm kleine Pausen
Eric Clapton in der Kölnarena
Von Michael Minholz
Das wäre sicher ein Fest für jeden Clapton-Fan. Einmal im Wohnzimmer
von Herrn "Gott" zu sitzen, und die Lichtgestalt schlurft in Schlabberhemd und
Jeans hinein in die gute Stube über einen eigens ausgelegten Teppich (sic!), schnappt
sich die Western-Gitarre und fängt an zu zaubern. Ganz allein, ganz phantastisch. Ein
bisschen war es so beim Abstecher von Eric Claptons angeblich letzter Welttournee in der
Köln-Arena. Nur, dass eben gut und gerne 15 000 Claptonianer beisammen saßen.
Es war eigentlich ein ganz normales Konzert von Slowhand: Du denkst, du
bist dem Meister nahe, und diese Gitarren-Sphinx schließt die Augen, steht rum, sagt
einfach nix außer einem "Hello" oder einem emotionslos dahergebrabbelten
"Thank Ya". Ein Parkscheinautomat ist geschwätzig dagegen. Und jeder Ton, den
der fast 56 Jahre alte Meister aus den Saiten seiner Stratocaster-Gitarre kitzelt, kommt
einer Gnadenbezeugung gleich. Wie immer sind da auch die langen Durststrecken, über die
einen Claptons eigentümliche Programmauswahl quält, ehe man dann doch noch, wie zur
Belohnung, diese magischen Momente erleben darf.
Clapton ist auf jeden Fall besser drauf als beim letzten Gastspiel in
Köln. "Tears In Heaven" schrubbte er beispielsweise zuletzt ärgerlich lustlos
herunter im mittleren Unplugged-Teil: zu schnell und völlig uninspiriert. Diesmal setzte
er es weit nach vorne, und es gelingt ihm einfach zauberhaft. Clapton konzentriert sich
aufs Singen und ein paar Akkorde, die Soloparts übernimmt sein kongenialer Saitenpartner
Andy Fairweather-Low.
Das angenehme Umfeld dieser Unplugged-Eröffnung bereitet eine
sensationell zusammengesetzte Begleitband: Trommelhexer Steve Gadd,
Ex-Springsteen-Mitstreiter David Sancious an den Tasten (und nur mit Socken an den
Füßen), Paulinho Da Costa, der sein Arsenal an Percussions-Geräten zum Beispiel bereits
bei Michael Jacksons "Thriller"-Album zum Einsatz brachte, sowie der
langjährige Clapton-Weggefährte Nathan East am Bass. Die Jungs grooven und rollen,
sooowas von entspannt.
"Reptile", der Titelsong des neuen 30. Albums, ist ein
federndes Latin-Instrumental, der "Bell Bottom Blues" eine Perle, "Change
The World" leitet Clapton mit einer feinen Improvisation ein. Danach wird's
elektrisch - und das Konzert scheint den Bach runterzugehen.
Clapton fällt nicht mehr viel ein (etwa bei "Don´t Let Me Be
Lonely" oder "My Father´s Eyes"), sein Sound ist zumindest zeitweise wenig
erbaulich, seine Miene erinnert an jemanden, der gerade über seiner Lohnsteuererklärung
brütet. Und sogar der ein oder andere Verspieler ist unüberhörbar. Ein Desaster?
Aber dann berappelt sich Clapton doch noch, legt einen furiosen
"Stormy Monday Blues" hin, lässt es gewaltig krachen mit "Cocaine"
und sein "Wonderful Tonight" ist umwerfend. Als er schließlich nach gut zwei
Stunden das berühmte "Layla"-Riff endlich mal wieder elektrisch spielt, kennt
der Jubel der Fans keine Grenzen.
Sie werden ohne Frage wiederkommen, falls der tourmüde Brite sich doch
noch mal zu Live-Gastspielen aufraffen sollte. Denn sie wissen: Clapton ist nicht Gott,
sondern durch und durch Mensch - und deshalb immer beides, miserabel und meisterhaft. |