©Kölner Stadtanzeiger 10.3.2001
Manchmal fließt der Blues wie Öl
Eric Clapton in der Kölnarena
Von Martin Woltersdorf
Der Blues ist die Grundlage seines Jobs. Der Blues zog Eric Clapton
runter, er baute ihn wieder auf. Was ist nur dran an diesem alten Reptil? Wer den Blues
hat, na und?, kann noch lange nicht seine Einsamkeit vor Millionen ausbreiten. Clapton
freilich kann es. Da sitzt er alleine auf einem Stuhl, die
Gitarre im Anschlag, und fingert im "Key to the Highway".
Und rund 15 000 Menschen in der ausverkauften Kölnarena schauen
geduldig zu, jubeln zum Schluss. Wie ist es nur möglich, ohne jede schrille Extravaganzen
in diesem Gewerbe noch zu bestehen? Seit fast 40 Jahren betätigt sich der Brite sozusagen
als weißer Nachlassverwalter schwarzer Musik. Selbst das zweite Lied, ein
Instrumental-Stück, Titelsong der aktuellen CD "Reptile" - auch hier ist
Clapton gewohnt eigen - ist nicht von der Pop-Stange: es federt zwar Bossa-beschwingt, mit
jazzigem Zwischenteil, geht in die Beine, doch es umweht eher den Geist.
Erst danach serviert der Mega-Star den Fans ein Schmankerl, eine
wunderschöne Pop-Ballade ("Tears in Heaven"). Aber es scheint, als sei die
darin verpackte Wehmut verarbeitet, als seien die "Himmelstränen" versiegt.
Clapton widmete das Lied seinem viereinhalbjährigen Sohn, der 1991 beim Sturz aus einem
Hochhausfenster ums Leben kam. Nun holt er das sanfte Klanggut von der Kriechspur, kratzt
am harmonischen Lack, grob körnig der Ton. Das Ganze in stark rhythmischer Begleitung,
dazu die Mitstreiter Andy Fairweather-Low (Gitarre) und Nathan East (E-Bass). Selbst die
Stimme mutet rostiger an als sonst. Das Leiden hat ein Ende.
Und überhaupt, ist der balladeske Clapton denn wirklich der wahre
Clapton? Klar, "Wonderful tonight" oder "Layla" perlen nach wie vor
wie edler Champagner. Bietet "River of tears" Gefühlsströme pur, klingt
"Don't let me be lonely tonight" eindringlicher als das Original von James
Taylor (Solo: David Sancious). Und, nicht zu vergessen, "Change of the world".
Gleichwohl wirkt gerade in diesem Song der melodische Guss rhythmisch aufgeschäumt
(ausgezeichnet als Tour-de-Force: Steve Gadd und Paulinho de Costa, die Schlagwerker).
Immer war es Claptons härtere Gangart, die überzeugte. Und, wie jetzt, mitreißt.
Der Blues als geballte Ladung Kraft: Scheppernd-dynamisch ("Goin'
down slow"), fetzig ("She's gone"), traditionell ("Got you on my
mind"). Indes, alles selbst im Up-Tempo jederzeit emotional. Da gleiten die Finger
schier schwerelos über das Griffbrett, winden sich die Töne in unendlichen Bögen,
schleifen metallische Slides die Saiten.
Der Blues spiegelt sein Leben, all die Geschichten von Gewinnen und
Verlieren, des Fort- und doch am liebsten Dableiben-Wollens. Und wenn die kniffligsten
Passagen klingen, als wären sie die leichteste Übung, dann bekommt der wohl längst
verblasste Mauerspruch, "Clapton is God", neue Kontur. Erst recht nach einem
Klassiker des Blues, dem virtuosen Höhepunkt des Abends - "Stormy Monday". Die
Halle tobt, der Star gibt ein Lächeln zurück. Sich im Erfolg zu sonnen, ist nicht
Claptons Lieblingspose. Er ist Gitarrist, ein glänzender Rockmusiker, kein konzertanter
Techniker, der Ovationen aufsaugt.
Die Bluesläufe fließen wie Öl, doch er schickt sie nie über den
Speedway. Nein, Clapton ist "Slowhand" und kein Schnellfinger. So passt es, das
die letzte Zugabe (nach dem einzigen Song aus dem "Cream"-Repertoire -
"Sunshine of your love"), nämlich "Over the rainbow", Ruhe einfängt,
Stille heraufbeschwört; fertig machen zum Abgang, der City-Lärm wartet. |
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