©Bonner General-Anzeiger 10.3.2001
Gitarrengott über dem Regenbogen
15 000 Zuhörer in der Kölnarena feiern
Eric Clapton - den Mann, den sie in den sechziger Jahren schon einmal mit dem Schöpfer
verglichen haben
Von Stefan Wolf
"Versuche nicht, möglichst viele Töne zu spielen, versuche
möglichst viel mit einem Ton auszudrücken." Der das sagt, muss es wissen.
Schließlich schaffte es Eric Clapton schon in der Startphase einer mittlerweile 35 Jahre
anhaltenden Superstar-Karriere, sein Saiteninstrument so ausdrucksvoll zu greifen, dass
man ihn nicht nur im London der Late Sixties mit dem legendären "Clapton is
God"-Graffiti in den Himmel lobte. Und auch, wenn es seit den Neunzigern oft heißt,
"God is a DJ", dürfte der garantiert Clapton auflegen, wenn er den Blues
kriegt.
"Reptile" nennt Mr. Slowhand sein aktuelles Werk. Eric Clapton
das Reptil, das Chamäleon, der Phoenix aus der Asche, das Reptil, das immer wieder die
alte Haut abwirft. Gleich zu Beginn seines Kölnarena-Konzerts, das 15 000 begeisterten
Besuchern bei exzellenter Klang-Qualität und sinnvollem Videoleinwand-Einsatz - die
Griffe des Gitarrengotts gab's minutenlang in Großaufnahme - einen atmosphärisch dichten
"Evening with Eric Clapton" (Tourneetitel) bescherte, denkt der 55-Jährige im
einleitenden, sitzend vorgetragenen Akustik-Set an einen persönlichen Schicksalsschlag
zurück. Clapton hebt sich "Tears in Heaven", seine Trauerarbeit um Sohn Connor,
der 1991 beim Sturz aus Claptons New Yorker Hochhausappartement tödlich verunglückte,
nicht für ein wehmütiges Feuerzeug-Finale auf. Er spielt den Song früh. Er spielt ihn
anders. Clapton greift ein sehr rhythmisch orientiertes Gerüst, seiner Stimme bleibt nur
noch, sich an dem fast grobschlächtig ineinander groovenden Gitarrenspiel entlang zu
hangeln.
Nicht dass der Mann auf seiner angeblich letzten großen Welt-Tournee
nicht mehr emotional sein will. Er will, so scheint es, nur endlich nicht mehr öffentlich
leiden. Eric Clapton möchte nämlich leben. Früher gefangen in einem Kreislauf aus
Heroin, Alkohol, Entzug, persönlichen Schicksalsschlägen und Depressionen, spielt er
heute "Cocaine" mit der Gelassenheit des Überlebenden. "Layla", die
schwärmerische Ode an Patti, die damals leider gerade mit George Harrison verheiratet
war, säubert er unter Starkstrom von der Staubschicht, die der Nummer
"unplugged" anhaftet. Clapton und Co. lassen es den Großteil des zweistündigen
Konzerts über scheppern. Wo Worte nicht ausreichen, um all die verlorenen und mehr noch
die gewonnen Kämpfe des Lebens zu erzählen, da tritt das Instrument in den Vordergrund.
Jede Regung, jede Pein hat ihre Entsprechung auf dem Griffbrett. "Goin' down
slow", "She's gone", "Father's eyes" - Clapton und seine
fünfköpfige Band erzählen die Geschichten auf ihren Instrumenten so perfekt, so
körperlich fühlbar, dass sie, in Worte gefasst, zum kruden Kauderwelsch verkommen
müssten. Hat Eric Clapton also alle bösen Geister der Vergangenheit vertrieben? Es
scheint so. Verabschiedet er sich doch in Köln mit einer hinreißend versöhnlich
formulierten Version von "Over the rainbow".
"Jeden Tag in einem anderen Hotel zu sein, das war für mich als
Kid vielleicht toll. Aber jetzt denke ich, dass ich genießen sollte, was ich noch vor mir
habe", begründet der Brite seinen Abschied von den großen Bühnen und vollführt
ihn mit dieser letzten, leisen "Wizard of Oz"-Weisheit: "Somewhere over the
rainbow skies are blue, and dreams that you dare to dream, really do come true." Der
Mann hat tatsächlich seinen Frieden gefunden, und 15 000 ergriffene Menschen
beglückwünschen ihn dazu - mit Ovationen im Stehen. |
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