©Frankfurter Rundschau 12.3.2001
Rock & Romantik
Schöne Musik von gestern: Eric Clapton in
der Frankfurter Festhalle
Von Daland Segler
Ich habe Eric Clapton gesehen. Seit gut 35 Jahren höre ich seine Musik;
er war ein Gitarren-Idol meiner Jugend, die in eine Zeit fiel, als Idole Gitarre spielen
mussten. Sie hießen Jimmy Page, Jeff Beck und Jimi Hendrix, und ihre Finger konnten die
sechs Saiten ihrer elektrischen Gitarren in einer Geschwindigkeit streicheln wie niemand
vor ihnen. Eric Clapton wurde damals von einem englischen Fan per Graffiti zum Gott
erklärt - aber der Junge kannte offenbar John McLaughlin nicht.
Ich habe John McLaughlin gesehen. Er ist unerreicht. Doch ein Konzert
Eric Claptons gilt in meiner Generation als Ereignis, ein Muss. Nun saßen in der
randvollen Frankfurter Festhalle drei Herren ungefähr meines Alters auf Stühlen vorne
auf der Bühne, sie trugen unauffällige Kleidung und Brillen, alle drei. Das sieht man
selten bei einem Pop-Konzert. Zum Spielen aber brauchten sie ihre Sehhilfen nicht. Das
konnten sie blind.
Eric Clapton frönt noch immer, wie etwa sein Kollege Carlos Santana,
der Manie, dem einzelnen, lang gezogenen Ton auf seiner Gitarre mit geschlossenen Augen
und verzücktem Mienenspiel nachzufühlen. Das kann man verstehen, weil der einzelne, lang
gezogene Ton einer Fender Stratocaster nun einmal sehr schön klingt. Und Eric Clapton ist
wie nur wenige in der Lage, viele solcher Töne hintereinander zu spielen. Meistens bei
einem Blues, wie etwa John Lee Hookers Hoochie Coochie Man. Da ist der Mann ganz bei sich,
da legt er seine Seele, für die das Instrument das Medium ist, in die Musik.
Wenn es so etwas wirklich gibt, dann ist Eric Clapton ein "Blues
Man", obwohl er ein Weißer und Brite ist. Er kann die Wurzeln dieser Musik, aus der
sich die populären Klänge des 20. Jahrhunderts entwickelt haben, so freilegen, als
hätte er selbst das Martyrium auf den Baumwollfeldern erlitten. Und er ist ja auch durch
Höllen gegangen: Er hat sich in Heroin- und Alkoholsucht fast verloren, und ihm ist mit
dem Tod seines Sohnes Conor das Schlimmste widerfahren.
Wer das durchmacht, wird vielleicht bescheiden. Jedenfalls wirkt der
Auftritt Claptons und seiner Band absolut unprätentiös. Kein Schnickschnack auf der
Bühne, zwei Videoschirme, die oft nur die Fingerfertigkeit des Gitarreros zeigen, und
eine Lichtdramaturgie, die sich dem musikalischen Konzept anpasst.
Das Gastspiel beginnt mit einem akustischen Set, bei dem Clapton für
das Titelstück seiner neuen CD Reptile in Jazz-Gefilde wandert (und etwa George Benson
ziemlich alt aussehen lässt). Der mittlere Teil auf der Stratocaster bietet Pop-Songs von
durchschnittlichem Niveau wie Goin' Down Slow oder She's Gone und Material von Reptile.
Clapton hat im Laufe der 35 Jahre natürlich alles mögliche geschrieben, doch Don't let
me be lonely tonight klingt so, als wolle er einen Vertrag für die Glitzer-Shows in Las
Vegas.
Doch bald wird meinesgleichen erlöst, mit einem rasanten Potpourri
fährt die sechsköpfige Band noch einmal die alten Schlager auf: Badge, vom "Angelo
misterioso" George Harrison mitkomponiert, gehörte zu den Hits von Cream, die
Solofigur hört sich heute eleganter an, das Stück insgesamt aber geglättet, während
Sunshine of your Love eher kantiger daherkommt, mit weniger Drive. Dafür endlich wieder
elektrisch: das Rock und Romantik so glücklich verbindende Layla.
Und als letzte Zugabe das vielleicht schönste Wiegenlied des Jazz:
Somewhere over the Rainbow nimmt die Mischung aus Nostalgie und Melancholie wieder auf,
die der Musik dieses soignierten Herren von bald 56 Jahren inzwischen zu eigen ist. Und
seine Fans, mit ihm gealtert, waren begeistert.
Es war ein schlicht schönes Konzert, mit Musik von gestern, als die
Helden der Jugend noch Gitarre spielten. Jetzt habe ich auch Eric Clapton gesehen.
Vielleicht 30 Jahre zu spät. Sei's drum. |