©Westdeutsche Allgemeine Zeitung, Kultur, 9. 12. 1998

Schwarz wie die Nacht

Eric Clapton und der Blues

Auf großen Hallenzauber wartet man in der ausverkauften "Kölnarena" vergeblich. Das Konzert Eric Claptons ist keiner jener krachenden "Mega-Events", nach denen der zahlende Besucher offenbar immer öfter verlangt. "Lauter, lauter!" brüllen Unzufriedene, als Clapton einmal zu einer leisen, gewagten Improvisation auf der akustischen Gitarre ansetzt, die sich dann als geniales Intro zu "Change The World" entpuppt. Hinhören, zuhören, eine fast sakrale Ruhe auf sich wirken lassen: eine aussterbende Kunst?

Wenn, dann bietet der Abend die Chance, sich auch in dieser Kunst wieder zu üben. Clapton 1998, seine "Pilgrim"-Tour, die den Gitarristen heute abend auch in die Dortmunder Westfalenhalle führt - da zählt nicht die Show, nur die Musik. Und die ist ein Ereignis.

"My Father's Eyes" macht den Auftakt; jener Song, der die Hitparaden erobert hat und der prompt als kommerzieller Pop-Kram geschmäht wird. Doch abgesehen davon, daß etwa Claptons "Layla" den gleichen Puristen noch immer als Klassiker heilig ist, obwohl das Lied jahrelang der Marketing-Trailer von Opel war bis zu dem Moment, da VW die aktuelle Tournee sponserte: Wie Claptons großartige Band "My Father's Eyes" interpretiert, gar nicht geschmäcklerisch, sondern gradlinig und traumhaft ausbalanciert zwischen Melancholie und Lebensfreude - das ist bereits jener rockige Blues, der im laufe des Abends immer tiefer, immer schwärzer wird. Das liegt auch am Meister. Clapton war eigentlich immer ein begnadeter Gitarrist, der (leider) auch sang. Nun steht seine Stimme, druckvoll und intensiv wie nie, gleichrangig neben seinem Spiel. Eindringlicher und glaubwürdiger kann man, kann ein Weißer zumal, den Blues kaum singen.

Zwischen Trauergebeten ("Tears in Heaven", "River of Tears"), Liebesliedern ("Wonderful Tonight") und kraftvoller Agitation ("Cocaine"), zwischen "elektrisch verstärkt" und "unplugged" bewegt sich das Programm, bei dem Clapton seine irisierenden Soli klug in den Gesamtklang einbindet. Dieser Klang ist - trotz zweier Keyboard-Spieler und dreier Gitarristen - immer glasklar; die sechs Mitglieder (plus drei Sängerinnen) haben dabei ungewöhnlich viel Freiraum. Wenn Tim Carmon an den Tasten zu einer geradezu jazzmäßigen Improvisation voller Dissonanzen ansetzt, dann ist das ganz bewußt hart an der Grenze dessen, was man einem Rock-Blues-Fan zumuten kann. Aber auch das gehört zu dieser phantastischen Schule des Hörens.

WOLFGANG PLATZECK