©TAZ, Berlin, Kultur, 23.11.1998
Generation Käfer
Eric Clapton spielte sich in der Berliner
Max-Schmeling-Halle durch sein Repertoire und wandte dem Publikum noch einmal den Rücken
zu
Von Matti Lieske
Daß man eines Tages bei einem Konzert mit Eric Clapton seinen Mantel an
einer Garderobe würde deponieren können, um dann in geordneten Sitzreihen einen
zugewiesenen Platz einzunehmen und dort festgebannt bis zum Schluß zu verharren, hätte
sich wohl niemand träumen lassen, als er vor 33 Jahren die Yardbirds verließ, weil ihm
der Song "For Your Love" zu kommerziell war. Noch weniger hätte man sich
träumen lassen, daß dieser Verächter des Kommerzes, der bei der Gruppe vorzugsweise mit
dem Rücken zum Publikum spielte, weil er den Starkult aus tiefstem Herzen verabscheute,
seine Seele und seine "Layla" eines Tages komplett an die Autoindustrie
verkaufen würde. So gesehen war man schon froh, daß Clapton sein Konzert vor 8.000 Fans
in der Berliner Max-Schmeling-Halle nicht mit allzu beziehungsreichen Stücken wie
"Further On Up The Road", "Key To The Highway" oder gar
"N.S.U." begann, sondern zunächst Stücke seines jüngsten Werkes intonierte.
Kaum war der aktuelle Pflichtteil absolviert, nahm der bodenständig in
T-Shirt und Bluejeans gewandete 53jährige die Nana- Mouskouri-Brille ab, als wolle er den
Zeitsprung unterstreichen, und sah plötzlich gar nicht mehr wie ein auf juvenil
getrimmter Oberstudienrat aus, sondern eher wie ein etwas betagter Bruce Springsteen. Zur
Freude des Auditoriums jagten sich nun die Gassenhauer vergangener Tage von
"Cocaine" bis "Layla", letzteres allerdings in der entsetzlich faden
akustischen Version. Der Querschnitt durch 30 Schaffensjahre bot für jeden etwas, stellte
alte Claptonisten ebenso zufrieden wie die feuerzeugbewehrte Tears-in-Heaven- und
Wonderful-Tonight- Fraktion. Songs, derentwegen alle übrigen Yardbirds die Band verlassen
hätten, wenn er sie damals angeschleppt hätte.
Das umfangreiche Karrierefazit machte gleichzeitig deutlich, was Eric
Clapton stets gefehlt hat: ein eigener Stil. Ein begnadeter Instrumentalist war er schon
immer, ein passabler Sänger ist er im Laufe der Zeit geworden, aber was er eigentlich
spielen sollte, das wußte er nie so genau. Also bedient er sich mal hier, mal da, am
liebsten bei Blues und Schnulzentum, was dazu führt, daß selbst eingefleischten Fans von
seinen Alben nach der Cream-Ära auf Anhieb höchstens eine Handvoll einfällt.
Im Konzert führt der Mangel an musikalischer Persönlichkeit dazu, daß
es vor allem dann spannend wird, wenn Clapton das tut, was ihn schon früh legendär
werden ließ: Gitarre spielen. Wie jeder kluge Musiker von Weltklasse hat er sich einen
sehr guten zweiten Mann an die Seite gestellt, der zuerst solieren darf, damit die feinen
Unterschiede um so deutlicher werden, wenn endlich der Meister übernimmt: die raffinierte
Phrasierung, die abenteuerlichen Tonfolgen, das untrügliche Gespür für die richtige
Nuance, der dynamische Spannungsaufbau, die unwiderstehliche Dramatik, die Claptons Soli
innewohnt, kurzum, jene Virtuosität, die ihn zum legitimen Kandidaten für das Amt des
größten noch lebenden Rockgitarristen werden läßt, nun, da Hendrix, Garcia und
Cipollina tot sind.
Komischerweise funktioniert die Magie am besten bei den neuen Stücken.
Während etwa "Have You Ever Loved A Woman" oder "Crossroads" (tut,
tut) eben so klingen, wie sie schon immer klangen, hat man bei den jüngeren Sachen das
Gefühl, als würden die Möglichkeiten der Stücke gerade erst auf der Bühne ausgelotet.
"For Your Love" hat Eric Clapton nicht dargeboten, als er seine Band nach knapp
zwei Stunden gut gelaunt von der Bühne winkt, dafür erfreut er das Publikum per Zugabe
mit einem alten Cream-Klassiker: "Sunshine Of Your Love". Und, man glaubt es
kaum, die letzte Minute spielt er aus alter Gewohnheit doch tatsächlich mit dem Rücken
zum Publikum, bevor er die zufriedenen Fans in die kühle Prenzelberger Nacht entläßt.
Wenn man bloß wüßte, wo man seine verdammte Jacke
gelassen hat. |
|