©Hannoversche Allgemeine Zeitung, Feuilleton, 11. 12. 1998

Langsamer, tiefer, enger

Eric Clapton in Hannover

Wenn der echte Bluesfan richtig in Fahrt kommt, fängt er an, sich ganz seltsam zu benehmen. Er verbiegt den Körper nicht im Rhythmus, sondern in der Intensität, mit dem ihm das Gitarrensolo in den Magen fährt. Bluesfans sind dann kaum noch ansprechbar, sondern konzentrieren sich oft mit geschlossenen Augen auf das Solo, das sie längst auf der imaginären Luftgitarre mitspielen.

Nachteil für Bluesfans bei den beiden Clapton-Konzerten in der bestuhlten hannoverschen Messehalle: die bestuhlte Messehalle. Im Sitzen ist nun mal schlecht mitmachen. Vorteil: Claptons Gitarrenspiel fährt in den Magen. Der Engländer lieferte den spürbaren Beweis, warum er den Titel "Slowhand" führt. Es kommt nicht darauf an, wie schnell, sondern wie und wann man Töne spielt, wie man mit Pausen Spannung erzeugt und den Hörer mit der nächsten Eruption wunderbar erlöst - Feeling eben.

Das Frage- und Antwortspiel zwischen Stimme und Gitarre beherrscht der mittlerweile 53jährige wie kaum ein anderer, beide schaukeln sich gegenseitig auf und beruhigen sich auch wieder - wobei die Soli in den Balladen wie dem neuen "River of Tears" noch drückender sind als in den Rocknummern. Und wenn Clapton will, ist sein pointiertes Spiel alles andere als slow. Ob er nun der Beste ist oder nicht, wer will das wissen? Was zählt, ist, ob es berührt. Es berührt.

Und das bei einer Bühnenshow, die keine ist und dem Größer-Höher-Weiter-Standard seiner Größenordnung eine gewaltige Nase dreht. Vor den 14 000 Leuten stehen sieben recht betagte Männer und drei Frauen - alles ausgezeichnete Musiker - unspektakulär beleuchtet auf einer kargen Bühne und spielen ihre Instrumente. Einer steht freundlicherweise vorn und singt, damit auch der Laie ahnt, welcher nun Clapton ist. Doch auch für ihn gilt: Wer gerade nichts zu tun hat, kann sich mal eben hinsetzen. Das wirkt in einer solch großen Halle fast befremdlich, doch Clapton ist nun mal kein Showmann, sondern Musiker, und dazu einer, der niemandem mehr etwas beweisen muß.

Sicher hätte man statt der vielen Songs vom jüngsten Album "Pilgrim" einige Klassiker wie "I shot the Sheriff" oder "Lay down Sally" gern mal wieder gehört, sicher hätte er nach der einen Zugabe noch eine weitere spielen können. Wenn er in einem kleinen, vollen und unbestuhlten Klub gespielt hätte, in dem das Konzert atmosphärisch viel besser aufgehoben gewesen wäre, hätte er vermutlich noch weitergespielt. Aber Größe hat nun mal seinen Preis. Einen Preis, der bei Eric Clapton durchaus im vernünftigen Verhältnis zur Leistung steht.

UWE JANSSEN