©General-Anzeiger 1998
Als wäre es das letzte Mal
Trotz Tourneestreß voller Spielfreude:
Eric Clapton in der Kölnarena
Von Imke Habegger
Der Mann, dem seine Fans den Beinamen "God" verpaßten, ist
ein Mensch mit guten und schlechten Tagen, auch wenn er angeblich immer spielt, "als
wäre es das letzte Mal". Dieser Montagabend in der Kölnarena war nicht der letzte
Auftritt während seiner Europatournee - aber wenn es ein Abschied gewesen wäre, hätte
er heiterer nicht sein können. Eric Clapton hat einen guten Tag - und drückt die
Gitarrensaiten, als hätte der monatelange Tourstreß überhaupt keine Spuren
hinterlassen.
Entspannt und spielerisch läßt der 53jährige die Finger über das
Griffbrett gleiten, ehe die Band einfällt: "My Fathers Eyes", der Single-Hit
seines aktuellen Albums "Pilgrim" eröffnet den Abend. Wie der Opener sind auch
die folgenden fünf "Pilgrim"-Stücke eine angenehme Überraschung: Live zeigt
sich ihre wahre Qualität. Ohne die Mätzchen mit Drumcomputer und Synthesizer gewinnen
sie an Format und klingen mit dem rauhen Gesang und den üppigen Sololäufen nicht mehr
monoton, sondern endlich wie Clapton. Das Publikum, mäßig eingestimmt von dem etwas
blutleeren Blues des Texaners Jimmie Vaughan, nimmt sie begeistert auf. "River Of
Tears", "Going Down Slow" und "She's Gone" - besonders bei diesem
Stück zieht Clapton mit einem furiosen Eingangssolo alle Register seines Könnens.
Als er dann an der akustischen Gitarre "Driftin' und Drinkin'"
anstimmt, steckt der Blues die 16 000 Menschen im Handumdrehen an. Bei "Tears in
Heaven" flammen Feuerzeuge auf, bei "Layla" und "Change The
World" wird mitgeklatscht. Was sofort auffällt: Der Gitarrist, der bereits
Bluesgeschichte geschrieben hat, kann sich immer noch steigern. Im Vergleich zu dem
berühmten MTV-Mitschnitt würzt er die "unplugged"-Versionen, wo Verspieler
kaum zu kaschieren sind, mit viel komplexeren, filigraneren Gitarrenläufen.
Dahinter steckt Arbeit am Instrument, Clapton ist nicht stehengeblieben.
Auch seinen Gesang hat er enorm weiterentwickelt: abwechslungsreicher in der Modulation,
sicherer akzentuiert. Auffällig auch, wie er mit seinem Repertoire jongliert. Er beginnt
mit langen Intros, streift typische Sequenzen nur wie im Vorübergehen und führt sie
lustvoll über weitschweifende Harmoniebögen zum Thema zurück. So wirken Clapton-Hits
wie "Old Love" - hier gönnt er Tim Carmon ein minutenlanges Keyboard-Solo - ,
"Crossroads" oder das selten live gespielte "Have You Ever Loved A
Woman" wie runderneuert und sehr aktuell. Die unverkennbare Spielfreude, die
"Slowhand" an diesem Abend antreibt, verleiht den alten Songs einen fast
mystischen Hauch von Unvergänglichkeit. Es ist spannend anzuhören, was Clapton auf der
Bühne aus ihnen macht.
Die Spannung löst sich erst am Schluß. "Wonderful tonight"
mit Katie Kissoons bewegendem Sologesang und danach "Cocaine": Nun liegt die
ganze Arena dem Briten zu Füßen. Er und seine Band haben es verdient.
Qualität und Können sind im Rockgeschäft eine eher seltene Größe.
Dieser Abend mit Clapton hat gezeigt, daß es möglich ist, sein Metier perfekt zu
beherrschen, ohne das zu verlieren, was sich so schlecht analysieren läßt:
Bühnenpräsenz, Charisma. Die Fähigkeit, über gelenkige Finger die Seele sprechen zu
lassen, hat "Slowhand" in all den Jahren nicht verlernt. |
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