©Berliner Zeitung, Feuilleton, 23.11.1998

Käferfahrt auf dem Fluß der Tränen

Eric Clapton hat den Beetle-Blues verkauft

Von Frank Junghänel

Nun ist aus Eric Clapton doch noch ein Beetle geworden. Allerdings kein richtiger Beatle, sondern einer mit doppeltem "e". Vor der Max-Schmeling-Halle, wo am Wochenende die beiden Berliner Clapton-Konzerte zum Automobil aus Wolfsburg stattfanden, parkten viele bunte Beetles. Sie wurden vom Zielpublikum eingehend begutachtet. Der Motorraum schien in Ordnung zu sein, auf dem Rücksitz könnte es ein bißchen eng werden.

Der Auftritt des Gitarristen, den man einmal Gott genannt hat, wurde vom Volkswagen-Konzern ausgestattet und auf einem Werbefoto trägt Clapton auch artig ein T-Shirt mit dem Signet des Volksautos. Für die Show hatte der Musiker dann ein Nicki von Nike gewählt, was darauf schließen läßt, daß auch Gott nicht markentreu ist. Von welchem Optiker das Brillengestell entworfen wurde, war aufgrund der Entfernung  zur Bühne nicht festzustellen, vermutlich handelte es sich um ein Armani-Modell. Musik wurde auch gespielt. Sie stammte zunächst von Eric Claptons neuestem Verkaufsartikel "Pilgrim", der im Weihnachtsgeschäft nicht zu kurz kommen soll.

Das Publikum sitzt auf numerierten Plätzen, gern auch mit einem Getränk in der Hand. Zuvorkommender Applaus empfängt den Künstler, der sein Konzert mit dem ersten Song seiner CD beginnt, der zugleich die erste Single-Auskopplung ist. Das ist als Service an jene Besucher zu verstehen, die Clapton erst kürzlich kennengelernt haben. Die Generation Beetle dankt es ihm. Eine leicht beschleunigte Fassung von "My Father s Eyes" kommt recht gut an, obwohl der Sound in der Halle zunächst erbärmlich klingt.

Das Album "Pilgrim" bietet eine Reihe guter Songs in schlechter klanglicher, weil vom Synthesizer geplätteter Verfassung. Erst live gespielt erreichen Stücke wie "River Of Tears", "She s Gone" und "Pilgrim" Clapton-Niveau. Sein Gitarrenton fliegt mit Leichtigkeit in die höchsten Höhen bis unters Hallendach und die vorzüglich swingende Band liefert die feine Grundierung seiner Kunststücke. Eric Clapton bietet das, was man von ihm erwarten darf, und was mit der Firmenphilosophie seines Hauptsponsors korrespondiert: eine solide Technik, die sich im Detail auch mal eine Extravaganz gönnt.

Nach dem obligaten "Unplugged"-Zwischenspiel, bei dem der freundliche MTV-Händler des ungestöpselten Pop-Konzerts dem Auditorium seine beiden einzigen 90er-Jahre-Hits "Tears In Heaven" und "Change The World" anträgt, macht er sich mit seinem Beetle auf die Reise zurück in die Vergangenheit und sitzt endlich wieder im guten, alten Käfer. Bei Robert Johnsons "Crossraods" zittert dem geladenen Publikum der Sekt im Glas, das an sich mittelmäßige "Tearing Us Apart", hier mit der großartigen Katie Kissoon als Duettpartnerin, gerät ganz unerwartet zum Höhepunkt des Abends. Diesmal waren "die alten Sachen" auch die besseren Sachen. Als einzige Zugabe reicht Clapton eine brachiale Fassung von "Sunshine Of Your Love".

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