Muskelkater

Als ich am Morgen relativ spät aus dem Bett aufstehe, trifft mich fast der Schlag: In beiden Oberschenkeln saftige Schmerzen. Ich kann kaum auftreten. Da hilft nur eins: ordentlich laufen!

Trotzdem trödeln wir herum, frühstücken spät - und kommen in Matrei an der Goldried-Gondelbahn just in dem Moment an, als die Kassen geschlossen werden. Mittagspause. Ich grummele und brumme vor mich hin, doch das nützt natürlich nichts. Wir müssen warten.

Gut anderthalb Stunden später steigen wir endlich oben aus. Wie immer fällt der erste Blick auf den Großglockner, der heute besonders nah wirkt. Aber auch der Panoramablick ringsherum ist immer wunderschön. Weniger schön ist, dass sich gerade eine gigantische Wandergruppe auf den Weg zum Kals-Matreier Törl macht, bestimmt an die 50 Männer und Frauen! "Sollen wir warten?" fragt Hannah, die meine Abneigung gegen Menschenmassen auf Bergwegen schon kennt. "Quatsch - wir überholen die jetzt!" Schließlich muss ich laufen, damit meine Muskeln Ruhe geben. Ich gebe derartig Gas, dass wir nicht nur die Wanderschar überholen, sondern in 45 Minuten an der Hütte sind, 15 Minuten schneller als auf dem Wegweiser angegeben. Das ist für mich eine gute Zeit! Leider jaulen meine Muskeln unverändert weiter.

Am Kals-Matreier Törl finde ich den Blick auf Kals tief unten im Tal schön, das Örtchen sieht wie eine Puppenstube aus. Der Großglockner thront sehr majestätisch oben drüber. Als ich mich umdrehe, stockt mir der Atem: der Großvenediger von der Ostseite, man sieht das Aderl und auch das Rainerhorn (3560m). Ich gucke und staune, denke an meinen Gutschein. "Mensch, Hannah, guck mal!" "Na, und?" blafft die und packt ihren Gameboy aus, ich glaub’s fast nicht. Ein älteres Paar am Tisch vor der Hütte grinst über uns. "Ein schwieriges Alter...." Sie meinen natürlich Hannah, die elf ist und massiv vorpubertär.

Wir kommen ins Gespräch. Die beiden gehen schon fast ihr ganzes Leben in die Berge und erzählen von ihrer ersten Großvenedigerbesteigung. Sie sind von der Nordseite hinaufgegangen und damals in einen Eisregen gekommen. Winzige spitze Geschosse prasselten auf die Gesichter, schmerzhaft wie Nadelstiche. Ich schaue auf den Berg, der Gletscher blinkt in der Sonne. Unvorstellbar.

Wir bleiben noch eine Weile in der warmen Sonne sitzen, und zumindest ich lasse das herrliche Panorama auf mich wirken. Als ich aufstehe, schmerzen die Oberschenkel immer noch. Für den Rückweg zum Goldried brauche ich nur 40 Minuten, trotzdem gelingt es mir nicht, Hannah, die vorausgelaufen ist, einzuholen.

Als wir zurückfahren nach Hinterbichl, sieht es mächtig nach Gewitter aus. Trotzdem sitzen die Stammgäste noch draußen vor dem Haus. Von Thomas bekomme ich den segensreichen Tipp, die Salbe, mit der ich meinen Füßen abends immer Gutes tue, auf die jaulenden Muskeln zu schmieren. Die Mischung aus Minze, Bergkiefer und Rosmarin fördert die Durchblutung, sagt er. Ich probiere es - und tatsächlich, es hilft ein wenig. Immer wenn ich die "Hetzjagd ins Timmeltal" erwähne, guckt Pidder, als beiße er gerade auf supersaure Gurken. Wortreich hat er mehrfach erklärt, dass er mich ja nicht hetzen wollte, wir aber ein Zeitproblem gehabt hätten usw. Ist ja schon gut!

Wir kommen noch trockenen Fußes zum Islitzer, aber während des Abendessens entlädt sich lautstark das Gewitter. Meine Tochter wird aufgefordert, mal eben im Gästehaus ein paar Schirme zu holen - dort stehen immer welche herum, die andere Gäste vergessen haben. Nicht zu fassen: Das Kind weigert sich, uns den Gefallen zu tun! Besonders Ulla, die sich gestern während unserer Sajatschartentour den ganzen Tag um Hannah gekümmert hat, ist schwer enttäuscht. Ich versuche, an Hannahs Anstand zu appellieren - vergebens.

Wir bekommen zwei Schirme, laufen zurück ins Gästehaus - und dann blitzt Hannah bei allen ab. Niemand spielt heute Uno mit ihr! Statt dessen rennt sie die halbe Nacht draußen barfuß im Regen herum und findet das saucool. Ich kann sie verstehen, ich hätte früher ähnlich reagiert.

Von Albert erfahre ich, dass das "Haus Niederrhein", das von der Raiffeisenbank Mönchengladbach gesponsert wird, demnächst zu einem Wellness-Center ausgebaut werden soll, mit Sauna und Whirlpool. Das tut dem Kasten bestimmt gut, besonders einladend sah der noch nie aus, vor allem der Vorplatz nicht.

Zum 7. Tag

Tag6: 2. August

Goldried

Blick vom Goldried auf Matrei

Majestätisch: der Großglockner (3798m)