Tschüss, Hibi

Unser letzter Tag vergeht mit Trödelei und mit Packen, heute haben wir beide keine Lust mehr auf große Touren. Immerhin schaffen wir es am Nachmittag noch gerade zum Johannes. Dort gönne ich mir ein Weißbier, und Hannah darf ein Rieseneis vertilgen. Auf dem Rückweg trennen wir uns wieder, weil ich lieber den Wasserfallweg gehe - und sie nimmt die Kutsche.

Allmählich kommt Abschiedsstimmung auf, auch beim Islitzer schütteln wir Hände und versprechen wiederzukommen.

Im Gästehaus Conny sitzen die beiden Hamburger und erzählen. Beide sind schon viele Male im Virgental gewesen - und nun nach einer längeren Pause wiedergekommen. Sie können sich noch an viele Geschichten erinnern, die abends in der fröhlichen Runde immer wieder gern erzählt werden. Der nette Mann aus Hamburg kramt tief in der Geschichtskiste. Südlich des Virgentals und parallel dazu liegt das Defereggental, das heute eher Winterurlauber (Langläufer) anzieht als Sommergäste. Es ist auch im Sommer lange nicht so abwechslungsreich wie das Virgental - aber gut.

Der Hamburger erinnert daran, dass früher beide Täler eine gemeinsames Kirchengemeinde bildeten, sprich: die Gläubigen von St. Jakob i.D. mussten, ich glaube, nach Virgen in die Kirche (oder Prägraten?); egal, jedenfalls mussten sie über die Berge, wenn Taufen oder Hochzeiten oder Beerdigungen anstanden. Im Winter allerdings ging das schlecht, durch den Schnee kam niemand durch. Nun war in St. Jakob der Opa gestorben, und das fatalerweise mitten im Januar, als der Weg zur Kirche unpassierbar war. Auf jeden Fall sollte Opi eine anständige Beerdigung bekommen. Da die Bergbauern generell nicht zimperlich waren (und sind), wurde die Leiche kurzerhand in den Keller verfrachtet. Dort war es kalt genug, um ihn zu konservieren. Kaum waren die Wege wieder halbwegs passierbar, kamen die Nachbarn zur Witwe und boten sich an, den Leichnam nun zum Pfarrer zu bringen. Oma aber wollte irgendwie nicht recht - und nach kurzem Hin und Her rückte sie mit dem Grund heraus: Der tiefgefrorene Opa war immer so ein praktischer Haken für die Kohlenschaufel.....

Auch heute noch liegen Leben und Tod in den Bergen sehr nah zusammen. Immerhin hat sich die technische Ausrüstung vervollständigt und verbessert, so dass Verunglückte in der Regel nicht allzu lange auf Rettung warten müssen. Das war früher auch anders:

Eine Gruppe von Prägratenern hatte spät im Jahr eine Bergtour gemacht. Dabei stürzte einer der Kameraden, der ein wenig zurückgeblieben war, 600 Meter tief ab. Als die anderen ihn vermissten, wurde es bereits dunkel - und nach einer Weile gaben sie die Suche nach ihm auf, mit dem festen Vorsatz, am nächsten Morgen nach ihm zu suchen. In der Nacht jedoch ging ein heftiger Schneesturm los, und es hörte gar nicht mehr auf zu schneien. Niemand konnte mehr in die Berge gehen, ohne sein Leben zu riskieren. Damit war der Tod des Mannes besiegelt - aber natürlich sollte er trotzdem anständig begraben werden. Sobald die Wege wieder frei waren, machten die Männer sich auf die Suche nach dem Kameraden. Sie fanden ihn auch, doch er lehnte merkwürdig verkrümmte an einem Felsen. Verzweifelt versuchten die Freunde, ihn auf die Trage zu legen, doch das war schlicht nicht möglich. Einer fasst sich ein Herz: Er benutzt den toten Mann kurzerhand als Schlitten und saust mit ihm zu Tal! Ihm ist zu verdanken, dass zwei Tage später alle eine wunderschöne Beerdigung feiern können!

Mit diesen wunderbaren Geschichten gehe ich ins Bett - und am nächsten Tag sind wir früh um Sechs schon auf der Straße, ohne Frühstück. Ich will dem zu erwartenden Heimreiseverkehr unbedingt aus dem Weg gehen. In Augsburg frühstücken wir frische Croissants - und insgesamt geht meine Rechnung auf: Ohne Staus sind wir nach knapp neun Stunden Fahrt wieder zu Hause.

Ende!

Tag16: 12. August

Prägraten und Hinterbichl

 

 

 

 

 

Bis bald!