Kreuzweg

Endlich wieder mal passables Wetter! Ich werfe Hannah früh aus dem Bett, und nach einem schnellen Frühstück fahren wir nach Marin. Ich habe mir für heute viel vorgenommen: Marin - Allerheiligenkapelle (Kreuzweg) - Gottschaunalm - Nilljochhütte - Obermauern - Marin. Gut, dass Hannah nicht weiß, wie weit das ist.

Die Bildstationen des steilen Kreuzweges finde ich irgendwie tröstlich. Obwohl ich natürlich weiß, dass Jesus sein Kreuz anderswo geschleppt hat, stelle ich mir vor, wie einer mit dem Kreuz auf dem Buckel hier hoch astet. Trotzdem macht mir der Anstieg zu schaffen, an der Allerheiligenkapelle bin ich nass geschwitzt. In einem mit Felsen und blühenden Pflanzen durchsetzten Wiesengelände fallen wir fast über einen Wiener, der dicht neben dem Weg der Länge nach bäuchlings im Gras liegt. Ich bin doch ein wenig erstaunt, erkenne dann aber, dass er etwas fotografieren will. Genau, den Roten Steinwurz, den gibt es nämlich nur selten.

Als wir aus dem Wald heraus treten und die Gottschaunalm vor uns liegt, bin ich zwar angestrengt vom Steigen, aber doch begeistert, wie schnell es gegangen ist. Der Fahrweg, den wir letzten Sommer gegangen sind, zieht sich doch viel länger hin.

In der idyllischen Hütte holen wir uns frische Krapfen und Kaffee mit richtiger Schlagsahne - ein Gedicht. Die Gottschaunalm hat wirklich einen sehr intensiven Charme, das spüre ich wieder, als ich in der Sonne sitze und umherschaue. Im letzten Sommer haben wir so weit gar nicht gucken können wegen der Wolken, diesmal sehen wir die Nilljochhütte auf dem grünen Bergrücken prangen und erblicken durch’s Fernglas auch die Bonn-Matreier Hütte, na, zumindest das Dach und die Fahne. Ich muss lebhaft daran denken, wie ich letzten Sommer, als hier jemand auf dem Akkordeon den Zillertaler Hochzeitsmarsch spielte, fast zu Tränen gerührt war.

Später bekommt die Idylle einen heftigen Knacks: Das Plumpsklo ist weg! Schade eigentlich, obwohl für Mädels ein WC letztlich doch angenehmer ist. Als wir unser Geschirr zurückbringen und nach Gutdünken bezahlen (es gibt keine Preise), bekommen wir einen Schnaps, das heißt, ich wähle lieber einen Mannischen, weil der Weibische nämlich Likör ist und den mag ich nicht. Witzigerweise fragt mich die Tochter der Wirtin zwei Mal, ob mein Mann auch einen Schnaps wolle - dabei haben wir doch gar keinen Mann dabei! Die Wirtin trägt mir Grüße an Conny auf, verbunden mit der Aufforderung, Conny solle doch endlich mal vorbeikommen und die Kinder vorstellen!

Wir machen uns auf den Weg zur Nilljochhütte, der über weite Strecken einen steilen Wiesenhang quert. Auffällig in dieser Gegend sind die merkwürdigen "Hühnerleitern", die helfen sollen, Weidezäune zu überwinden. Vermutlich sind sie billiger als ein Gatter, trotzdem etwas unpraktisch. Ein gutes Stück oberhalb der Nilljochhütte kommen wir an die Alm, die am Weg zur Bonn-Matreier Hütte liegt. Ich verfolge den Weg nach oben mit den Augen, so weit es geht. Nächstes Jahr muss ich auch dort hinauf.

An der Nilljochhütte gefällt mir wieder der wunderbare Blick auf Prägraten und Hinterbichl. Die Tische draußen sind gut besetzt, an einem unterhalten sich zwei von den Prägratener Bergführern, wie ich mit halben Ohr mitkriege. Leider kann ich nicht verstehen, was die zwei sich erzählen - so gut beherrsche ich den einheimischen Dialekt dann doch nicht. Eine Lady fällt mir auf, die sich für die Tour zur Bonn-Matreier offensichtlich einen Führer engagiert hat. Auf so eine Idee wäre ich gar nie gekommen!

Nach einem gespritzten Apfelsaft hieven wir wieder die Rucksäcke auf den Rücken und steigen über den steilen Weg nach Obermauern ab. Ich spüre zwar noch leicht meine überanstrengten Muskeln, bin aber so schnell im Abstieg geworden, dass ich Hannah hinter mir lasse - und das will was heißen! Ich sag ja: Die "Hetzjagd ins Timmeltal" (von der Sajathütte) hat mich gestählt fürs Leben!

Wir erreichen wieder eine Alm mit wunderschönem Blick auf Obermauern. Außer dem Almhaus gibt es hier auch kleinere Holzhütten, die offensichtlich als Ferienhäuser vermietet werden. Vor einem sitzt ein Pärchen, langhaarig und mit Norwegerpulli, auf der Holzbank. Der Mann spielt Folksongs auf der Gitarre und sie singt leise dazu. Sehr romantisch.

Ein Stück unterhalb des Häuschens teilt sich der Weg, und wir folgen dem Wegweiser "Fahrweg Gottschaunalm". Thomas, der Frankfurter Schafbändiger, hat ihn uns empfohlen, dann muss man nicht nach Obermauern absteigen, wenn man eigentlich nach Marin will. Wir erreichen den Fahrweg und traben gemütlich zum Auto zurück.

Zum 13. Tag

Tag12: 8. August

Gottschaunalm

Liebevoll arrangierte Blumen

Blick von der Gottschaunalm zur Nilljochhütte

 

Blick von der Nilljochhütte (1990m) auf Prägraten (vorn) und Hinterbichl