Flut

Nach dem Frühstück winken wir den Heimkehrern noch kräftig nach, danach packe ich meinen neuen Rucksack. Ich muss endlich mal wieder laufen! Weil das Wetter immer noch sehr instabil ist, wollen wir nur zur Islitzeralm. Ich gehe natürlich vom Parkplatz Ströden über den Wasserfallweg - und komme mächtig ins Schwitzen, kein Wunder nach drei Tagen Zwangspause. Hannah hab ich allein über den Fahrweg gehen lassen, da kann eigentlich nichts passieren. Ich genieße es, durch den Wald zu steigen und freue mich, dass der neue Rucksack sich bestens bewährt. Vom Wiesenhang hinunter genieße ich den schönen Blick auf die Umballfälle und die Islitzer- und Pebellalm. An dem Wasser, das kurz vor dem Drehkreuz quer über die Wiese läuft, stoppe ich erstaunt einen Augenblick. Aus dem einstigen Rinnsal ist ein fast reißender Bach geworden, so sehr hat der Dauerregen ihn genährt. Mit den Bergschuhen ist es aber kein Problem, ihn zu durchqueren, ich muss nur zweimal von einem Stein zum anderen springen. Hinter mir höre ich Leute reden. Ich drehe mich um.

Da stehen zwei mit Turnschuhen! Ich könnte mich aufregen über die Unvernunft mancher Berggeher, was die Ausrüstung angeht - diesmal aber muss ich grinsen. Mit Turnschuhen kommen die nicht trockenen Fußes durch die Flut! Sie rufen mir was zu, ich zeige auf meine Schuhe. Sie erkennen, dass sie nicht ganz das passende Schuhwerk tragen und machen Zeichen des Bedauerns. "Werfen Sie doch ein paar Steine ‘rein", brülle ich. Man versteht sich schlecht, weil alle Wasser ziemlich laut tosen. Was soll’s, ich kann den beiden auch nicht helfen. (Später kommen sie doch noch beim Johannes an: Sie haben kurzerhand Schuhe und Strümpfe ausgezogen und sind barfuß durchgewatet. So geht es natürlich auch!)

Beim Johannes treffen wir die beiden Hamburger, die am Vortag im Gästehaus eingezogen sind. Sie haben ihr Fernglas auf das angeschwollene Wasser gerichtet und beobachten grinsend, was geschieht. Auch ich schaue mir nun amüsiert an, wie immer mehr Spaziergänger ratlos vor dem Hindernis stoppen - und sichtbar herumrätseln, wie sie es denn überwinden könnten. Manche kommen mit nassen Füßen beim Johannes an, andere drehen tatsächlich wieder um!

Nach einem Radler versuche ich Hannah zu bewegen, noch ein Stück die Umbalfälle hochzugehen, wenigstens bis zum Ende der Wasserschule (so heißt der Wasserschaupfad jetzt). Zur Clarahütte kann ich sie sowieso nicht treiben, da war sie schon, da muss sie nicht wieder hin. Sagt sie so. Aber auch die Umbalfälle reizen sie nicht, sie will beim Johannes bleiben. Der ist einverstanden, also gehe ich alleine los. Es lohnt sich, denn zwischen den Felsen tobt heuer besonders viel Wasser ins Tal. Oben an dem kleinen Plateau treffe ich die Hamburger wieder. Sie beobachten weit oben am Berg eine Gams. Auch ich kann sie mit bloßem Auge sehen, meine erste Gams. An der gleichen Stelle habe ich letzten Sommer meine ersten Murmeltiere gesehen.

Ich setze mich noch eine Weile an die Isel, danach steige ich langsam ab, zerre mühsam Hannah von Johannes’ Seite und laufe mit maulendem Kind über den Fahrweg zum Parkplatz Ströden. Es fängt wieder an zu regnen - dieser Sommer hatte es wirklich in sich - auch im Virgental.

Zum 11. Tag

Tag10: 6. August

Islitzeralm und Umbalfälle

 

 

 

Umbalfälle